Patientenrecht kompakt (Teil 4): Krankheit contra Karriere
Patientenrechte dienen dem Schutz des Patienten. Dies gilt nicht nur für den Erhalt von Gesundheitsleistungen zum Schutz der Gesundheit des Patienten, sondern auch für die Sicherung des Lebensunterhalts im Krankheitsfall. Gerade bei schwerwiegenden und chronischen Erkrankungen, wie etwa den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), sind Betroffene im Falle eines Ausfalls in Ausbildung oder Beruf häufig auf eine rechtliche und finanzielle Absicherung angewiesen. In diesem Teil des Spezials „Patientenrecht kompakt“ möchten wir dir daher hilfreiche Informationen zu diesem wichtigen Thema liefern.
Regelungen zur Krankengeldzahlung
Im Falle einer längerfristigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit reagieren viele Arbeitnehmer verunsichert, ob und wie lang der Arbeitgeber das Gehalt noch zahlt und wie es danach finanziell weiter geht. Egal ob Vollzeitbeschäftigter oder Teilzeitkraft, im Krankheitsfall besteht ab dem Zeitpunkt einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit für alle in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer zunächst das Recht auf Lohnfortzahlung. Das seit 1994 bestehende Entgeltfortzahlungsgesetz (kurz EFZG) gibt die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber für den Zeitraum von bis zu sechs Wochen nach bescheinigter Erkrankung vor.
Besteht aufgrund derselben Erkrankung auch nach Ablauf der sechs Wochen eine Arbeitsunfähigkeit, sind die gesetzlichen Krankenkassen zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet. Für die Beantragung von Krankengeld genügt das lückenlose Einreichen der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Auch Empfänger des Arbeitslosengeld 1 (ALG 1) sind berechtigt, Krankengeld zu erhalten. Das gleiche gilt für einen Patienten, der nach Ablauf der besagten sechs Wochen stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt wird: auch in diesem Fall erhält der Patient zusätzlich Krankengeld von seiner Krankenkasse. Ausgenommen von der Krankengeldzahlung sind alleinig gesetzlich versicherte Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag auf weniger als 10 Wochen befristet ist.
Privat versicherte Patienten sind von der gesetzlichen Krankengeldzahlung selbstverständlich ebenfalls ausgeschlossen. Zur Absicherung im langfristigen Krankheitsfall sollten privat versicherte Patienten je nach Versicherung wählbare Zusatzleistungen wie die Krankentagegeldversicherung abschließen.
Höhe und Dauer des Krankengeldanspruchs
In der Regel beträgt das gesetzliche Krankengeld 70 % des Bruttoeinkommens, das der Patient regelmäßig und beitragspflichtig vor Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit verdient hat. Die maximale Krankengeldzahlung beträgt 90 % des Nettolohns. Empfänger von ALG 1 erhalten das Krankengeld in Höhe ihres Arbeitslosengeldes. Hinsichtlich der Dauer der Krankengeldzahlung gibt es keine generelle Beschränkung. Allerdings ist zu beachten, dass bei ein und derselben Erkrankung die Zahlung auf 78 Wochen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren, ausgehend vom Tag der ersten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, beschränkt ist. Nach Ablauf dieser sogenannten Blockfrist kann wegen derselben Erkrankung ein neuer Anspruch auf Krankengeld bestehen, wenn der Versicherte in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig und erwerbstätig war.
Beim Krankengeld bittet deine Krankenkasse um Mithilfe
Um Krankengeld von deiner Krankenkasse zu erhalten, ist deine Unterstützung erforderlich. Grundlegend ist dabei die korrekte und wahrheitsgemäße Schilderung deiner Erkrankung, was auf Wunsch deiner Krankenkasse auch in einem persönlichen Gespräch erfolgen kann. Darüber hinaus kann dich deine Krankenkasse auch dazu verpflichten, bestimmte Untersuchungen oder Heilbehandlungen durchführen zu lassen oder an Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen. Die sogenannte Aufforderung zur Rehabilitation greift, wenn gemäß eines ärztlichen Gutachtens eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit besteht. Mit den verpflichtenden Rehabilitationsmaßnahmen soll dem Risiko einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit vorgebeugt werden. Auf der anderen Seite bedeutet das auch, dass wenn du der Aufforderung zur Rehabilitation nicht nachkommst, dein Krankengeldanspruch verfällt.
Regelungen bei Verlust oder Minderung der Erwerbsfähigkeit
Tritt aufgrund einer dauerhaften Krankheit oder Behinderung eine verminderte Erwerbsfähigkeit ein, so hat man als Versicherter der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.Per gesetzlicher Definition ist ein Patient voll erwerbsgemindert, wenn er aufgrund einer Krankheit oder Behinderung auf unbestimmte Zeit nicht in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich einer Arbeitstätigkeit zur Sicherung seines Lebensunterhaltes nachzukommen. Bei einer teilweisen Erwerbsminderung ist der versicherte Patient in der Lage einer mindestens dreistündigen Teilbeschäftigung nachzugehen. Wer noch mindestens sechs Stunden am Tag erwerbstätig sein kann, gilt nicht als erwerbsgemindert. In Fällen von schwerer Behinderung greift ein besonderer Kündigungsschutz, der eine Benachteiligung im Falle einer betriebsbedingten Kündigung verhindern soll.
Verminderte Erwerbsfähigkeit und Minderung der Erwerbsfähigkeit – leicht zu verwechseln:
Bei den Rentenansprüchen im Zusammenhang mit einer verminderten Erwerbsfähigkeit gilt es zwischen der verminderten Erwerbsfähigkeit („Erwerbsminderung“) der gesetzlichen Rentenversicherung im Falle dauerhafter Krankheit oder Behinderung und der durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckten Minderung der Erwerbsfähigkeit im Falle eines Arbeitsunfalls oder bei entstandener Berufskrankheit zu unterscheiden. In beiden Fällen besteht der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz.
Regelungen bei Behinderung und chronischer Erkrankung in Ausbildung und Studium
Nicht nur im Job, auch in der Ausbildung oder im Studium bedeutet eine dauerhafte krankheitsbedingte Einschränkung einen Nachteil für den Betroffenen. In diesem Fall greifen bestimmte Rechte und Leistungen. Zu den Behinderungen zählen alle Formen der dauerhaft körperlichen und geistigen Beeinträchtigung. Aber auch chronische Erkrankungen mit episodischem Verlauf, wie z.B. Allergien, Rheuma, Epilepsie, Multiple Sklerose oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa können als Behinderung anerkannt werden.
Laut einer Erhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) erschwert sich für 11 % der Studierenden das Studium infolge körperlicher oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen.1 Neben Studenten mit Mobilitätseinschränkungen, psychischen Erkrankungen, Legasthenie oder Sinnesbeeinträchtigungen des Sehens, Hörens oder Sprechens zählen hierzu auch Betroffene einer chronischen Erkrankung. Viele der Studierenden mit einer nicht-sichtbaren Beeinträchtigung, wie im Falle vieler chronischer Erkrankungen, empfinden sich selbst nicht als „behindert“ und möchten von ihren Kommilitonen auch nicht so wahrgenommen werden. Betroffene Studenten ziehen es dadurch häufig lieber vor, auf die ihnen zustehenden Leistungen und Rechte zu verzichten oder vergessen gar, diese wahrzunehmen.
Reichen deine eigenen Mittel zur Finanzierung deines Lebensunterhaltes nicht aus, so steht dir, insofern deine Eltern nicht in umfassendem Maße für dich aufkommen können, die Beantragung der BAföG-Förderung zu. Zudem bietet sich für Studierende mit physischer oder psychischer Beeinträchtigung die Möglichkeit bei einem behinderungsbedingten Mehrbedarf eine finanzielle Unterstützung durch bestimmte Kostenträger zu beantragen. Je nach Zuständigkeit können dies sein: die BAföG-Ämter, die örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger, die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende und die Kranken- und Pflegekassen.
Auch wenn Hochschulgebühren und Semesterbeiträge in der Regel von allen Studierenden zu leisten sind, so steht denjenigen mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung eine Ermäßigung oder Befreiung von bestimmten Leistungen, wie etwa beim Semesterticket, den Rundfunkbeiträgen oder den Langzeitstudiengebühren zu. Letztere können etwa erlassen werden, wenn sich die Behinderung oder chronische Krankheit nachgewiesenermaßen studienbeschwerend oder studienzeitverlängernd auswirkt.
Zudem profitieren Studierende mit Beeinträchtigung unter bestimmten Voraussetzungen länger als ihre Kommilitonen von günstigen Versicherungskonditionen der gesetzlichen Krankenversicherungen. Setz dich hierfür am besten mit einem Berater deiner Krankenkasse in Verbindung.
Gut zu wissen! Solltest du zu Beginn deines Studiums nicht innerhalb der gesetzlichen Familienversicherung pflichtversichert sein oder diese endet, weil du das 25. Lebensjahr überschreitest, dann steht dir in der Regel der günstige Tarif der gesetzlichen Krankenversicherung der Studenten und Studentinnen (KVdS) zur Verfügung. Bis zu deinem 30. Geburtstag profitierst du mit der studentischen Krankenversicherung von günstigen Beitragskonditionen.
Über das Studium hinaus gelten für alle Auszubildenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung rechtliche Unterstützungen. Das „Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen“, das im Jahr 2004 verabschiedete wurde, beinhaltet unter anderem verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung auszubildender Unternehmen und zur Förderung des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Bei allen Fragen rund um deine Ausbildung stehen dir auch jederzeit deine Krankenkasse und Patientenberatungsstellen mit Informationen zur Seite. Eine Liste möglicher Anlaufstellen zur Patientenberatung findest du im ersten Beitrag unserer Serie „Patientenrecht kompakt“.